1. Die Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse
2. Durchgefallen - Was passiert jetzt?
3. Widerspruch einlegen - Was ist das?
4. Verfahrensablauf bei Einlegung des Widerspruchs
a) Termin zur Akteneinsicht
b) Einlegung des Widerspruchs
c) Widerspruchsbegründungen
d) Stellungnahme der Prüfer
e) Neubewertung der Klausur(en)
f) Klage vor dem Verwaltungsgericht
5. Fazit
Was mache ich denn jetzt bloß? Wie soll es weitergehen? Wer kann mir helfen? Soll ich aufgeben und etwas neues studieren? Wie bringe ich das meinen Freunden und meiner Familie bei? Wie war das nochmal mit einem Widerspruch gegen die Prüfungsergebnisse? Lohnt sich das überhaupt bei mir und wie sind die Erfolgsaussichten?
Diese Fragen gehen Examenskandidaten, die zum ersten oder wiederholten Mal durch die juristische Staatsprüfung gefallen sind, mit Sicherheit durch den Kopf. Nach dem großen Schock folgt ein tiefes Loch, Ratlosigkeit und Perspektivlosigkeit, weil die wenigsten Betroffenen Wissen, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen. Auch den Freunden und Angehörigen des Durchgefallenen fällt es schwer, die richtigen Worte zu finden und ihren Freund / Freundin / Sohn / Tochter aufzubauen.
Dabei ist es nicht verwunderlich, dass bei jedem Examensdurchgang Kandidaten an den Zulassungsvoraussetzungen für die mündliche Prüfung scheitern, weil Sie entweder nicht genügend Klausuren bestanden haben, ein Blockversagen gegeben ist – es wurde keine Klausur aus dem Zivilrecht bestanden - oder die Durchschnittspunktzahl trotz Erfüllung der anderen Zulassungsvoraussetzungen nicht erreicht wurde. Denn die Juristische Staatsprüfung, insbesondere das Zweite Juristische Staatsexamen, gehört zu eine der weltweit schwierigsten Prüfungen. Im Bundesdurchschnitt scheitern in der Regeln 20 % der Referendar im ersten Anlauf zum Zweiten Staatsexamen.
Diese Durchfallquote haben viele Kandidaten vor den Augen, auch wenn das eigentliche Staatsexamen noch in weiter Ferne ist. Nach dem Ablegen der schriftlichen Arbeiten, beim Zweiten Staatsexamen sind es 8 an der Zahl, folgt die Wartezeit von in der Regel 3 Monaten bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse. In dieser Zeit wissen die wenigsten Kandidaten, ob es „für die mündliche Prüfung gereicht“ hat. Zu dieser quälenden Ungewissheit kommt die Angst vor dem Scheitern im Examen hinzu.
Und dann kommt der große Tag, den viele gefürchtet haben: Die Noten werden bekanntgegeben, entweder Online auf der Seite des Justizprüfungsamts mittels eines individuellen Zugangscodes samt Identifikationsnummer oder klassisch auf dem postalischen Weg in Form eines Einschreibens. Und plötzlich sind die größten Befürchtungen wahr geworden: DURCHGEFALLEN !
Betroffene Kandidaten sollten nicht alle Hoffnung aufgeben. Denn wer erstmalig die Zulassungsvoraussetzungen nicht erreicht hat, bekommt eine weitere Chance und darf im Rahmen des zweiten Versuchs sein Können unter Beweis stellen. Kandidaten, die zum wiederholten Mal durch das Zweite Staatsexamen gefallen sind, können noch auf einen dritten, letztmaligen Examensversuch im Rahmen der „Härtefallregelung“ - dem sog. Gnadenversuch - hoffen.
Was macht jedoch ein Examenskandidat, der beim ersten Versuch oder wiederholt gescheitert ist? Neben einem angeknacksten Ego und Selbstzweifeln muss der Kandidat auch mit den ständigen Fragen von Kommilitonen, Freunden und Familienangehörigen, „wie es denn gelaufen sei“, umgehen. Viele durchgefallene Kandidaten können es nicht verstehen, weshalb ausgerechnet sie, die doch während der Vorbereitungszeit Bücher gewälzt, wöchentlich mehrere Übungsklausuren geschrieben und bestanden haben und kosten- und zeitintensive Repetitorien besuchten, durchfallen und der/die Referendarskollege/in, der/die keinen „blassen Schimmer von Jura zu haben“ scheint, es geschafft hat und zur mündlichen Prüfung zugelassen wurde.
Statt sich zu „verkriechen“ und seinen Mitmenschen aus dem Weg zu gehen, sollte der Betroffene alle seine Kräfte mobilisieren und die Zeit und Chance nutzen um sich auf den Wiederholungsversuch vorzubereiten. Denn dafür bleiben nach Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse in der Regel etwa 4 Monate Zeit.
Wer sich doppelt absichern und die Risiken so weit es geht minimieren will, konzentriert sich neben der erneuten Examensvorbereitung auf einen Widerspruch gegen das Prüfungsergebnis. Denn ist ein
Kandidat der Auffassung, dass er die Erste bzw. Zweite Juristische Staatsprüfung zu Unrecht nicht oder nicht mit einer sein Leistungsvermögen widerspiegelnden Note bestanden hat, sollte dieser
nicht zögern, sein Prüfungsergebnis anzufechten oder anfechten zu lassen. Denn ebenso, wie es Recht und Pflicht der eingesetzten Klausurenkorrektoren ist, Fehler der Kandidaten aufzudecken, haben
die Kandidaten auch das Recht, ebensolche der Korrektoren aufzudecken. Daran gibt es seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.04.1991 (BVerfGE 84, 34) keine Zweifel: Wem es gelingt,
Fehler im Bewertungsvorgang und oder im Bewertungsverfahren aufzudecken und begründet geltend zu machen, wird mit einer Prüfungsanfechtung Erfolg haben.
Ein Widerspruch bietet sich jedoch auch in den Fällen an, in denen der Kandidat zwar zur mündlichen Prüfung zugelassen worden ist, jedoch die Erste oder Zweite Juristische Staatsprüfung lediglich mit einer ihm nicht angemessen erscheinenden Note bestanden hat. Gerade dann, wenn ein Prüfling knapp an einem angestrebten Notensprung scheitert und statt des gewünschten „befriedigend“ ein „ausreichend“ als Examensnote erreicht, bietet sich der Widerspruch gegen die Prüfungsergebnisse an. Denn bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation für Juristen spielen die Noten eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob und wenn ja, in welchem Bereich der Bewerber eine Anstellung bekommt.
Sollte tatsächlich der schlimmste für den Referendar nur denkbare Fall eingetreten sein, - er hat die Erste bzw. Zweite Juristische Staatsprüfung nicht bestanden - , sollte mittels eines Widerspruchs und ggf. einer Klage der „Nichtbestehensbescheid“ angegriffen werden, wobei die Fristen nach den §§ 70 I, 74 VwGO zu beachten sind.
Nach Bekanntgabe des Nichtbestehensbescheids sollte der betroffene Kandidat sich mit dem Prüfungsamt in Verbindung setzten und einen baldigen Termin zur Akteneinsicht vereinbaren. Bei der Akteneinsicht kann sich der Kandidat ein Bild seiner Leistungen machen und im Vorwege prüfen, ob ein Widerspruch Aussicht auf Erfolg haben könnte. Eine Erfolgsaussicht ist besonders dann gegeben, wenn eine Examensklausur von den jeweiligen Prüfern – jede Klausur wird von zwei unterschiedlichen Korrektoren bewertet – mit unterschiedlichen Noten bewertet worden ist. Da in solchen Fällen ein Korrektor eine höhere Benotung für gerechtfertigt hält, ist es leichter, in der Widerspruchsbegründung daran anzusetzen und den anderen Korrektor davon zu überzeugen, seine Notengebung zu Gunsten des Examenskandidaten zu überdenken.
Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Nichtbestehensbescheids kann der Kandidat Widerspruch dagegen einlegen. Auch wenn der Betroffene noch nicht sicher weiß, ob und in welchem Rahmen sein Widerspruch erfolgreich sein wird, kann er vorsorglich zur Fristwahrung einen solchen gegen die Prüfungsergebnisse einlegen. Der Widerspruch kann gegebenenfalls und ohne dass dies nachteilige Kostenfolgen nach sich zieht zurückgenommen werden, sollte sich der durchgefallene Examenskandidat gegen die Aufrechterhaltung des Widerspruchs entscheiden.
Anhand der Prüfungsunterlagen – sprich Examensklausuren nebst Beurteilungen - , welche dem Betroffenen oder seinem von ihm beauftragten Rechtsanwalt vom Prüfungsamt zur Verfügung gestellt werden, werden die Erfolgsaussichten des Widerspruchs prognostiziert. Zu jeder Klausur, die nach Ansicht des Betroffenen bzw. dessen Rechtsanwalts angefochten werden soll, ist eine detaillierte Widerspruchsbegründung anzufertigen. Die Widerspruchsbegründung darf sich nicht in Pauschalaussagen oder Floskeln erschöpfen. Stattdessen verlangt die ständiger Rechtsprechung, dass in der Widerspruchsbegründung unter Auseinandersetzung mit den Randbemerkungen der Prüfer sowie den Ausführungen in den jeweiligen Voten substantiiert dargelegt wird, wo die Bewertungsmängel liegen sollen und bzw. warum die bisherige Bewertung nicht bestehen bleiben kann. Für die Widerspruchsbegründung besteht keine Frist. Diese sollten jedoch zeitnah gefertigt und an das Prüfungsamt gesandt werden, damit das Verfahren sich nicht unnötig verzögert und der Examenskandidat mehr als 6 Monate auf das Ergebnis warten muss. Das Prüfungsamt leitet die Widerspruchsbegründungen den jeweiligen Prüfern, deren Benotung angegriffen wird, zur Stellungnahme zu.
Das Prüfungsamt gewährt jedem Prüfer in der Regel eine Frist zur Stellungnahme von 4 Wochen. Bis dem Kandidaten bzw. seinem Rechtsanwalt die Stellungnahmen der Prüfer durch das Prüfungsamt zugeschickt werden, können daher bis zu 12 Wochen nach Einreichung der Widerspruchsbegründungen vergehen, je nachdem, wieviele Klausuren angefochten wurden.
Erfahrungsgemäß hat sich gezeigt, dass die Prüfer gerade bei knappen Entscheidungen, d.h. die Klausur wurde ursprünglich mit abweichenden Noten bewertet oder es würde, wenn der Prüfer der Widerspruchsbegründung folgen sollte, zu keinem Notensprung kommen - etwa bei einer Anhebung von 4 auf 5 Punkte – der Widerspruchsbegründung folgen, die Note zugunsten des Kandidaten überdenken und die Klausur höher bewerten. Daher profitieren insbesondere Kandidaten, welche die Erste oder Zweite Juristische Staatsprüfung nur knapp nicht bestanden haben und denen wenige Punkte für die Zulassung zur mündliche Prüfung fehlen.
Werden dem Kandidaten die fehlenden Punkte nachträglich gewährt, wird er zur mündlichen Prüfung zugelassen. Die ursprünglich nicht bestandene Staatsprüfung gilt nunmehr als bestanden, wenn der Kandidat in der mündlichen Prüfung eine ausreichende Anzahl an Punkten erreicht.
Sollten die Prüfer im Rahmen ihrer Stellungnahmen nicht der Widerspruchsbegründung gefolgt sein, kann der Kandidat bzw. sein Rechtsanwalt weitere, noch nicht angefochtene Klausuren angreifen und zu diesen neue Widerspruchsbegründungen erstellen. Wurden aber bereits alle Klausuren angefochten und waren die Widerspruchsbegründungen nicht erfolgreich, dann bleibt nur noch der Weg der Neubewertung der Klausur(en).
Mit den Stellungnahmen der Prüfer erhält der Kandidat bzw. dessen Rechtsanwalt ein Schreiben des Prüfungsamts mit der Frage, ob der Widerspruch für erledigt erklärt wird. Erklärt der Kandidat bzw. sein Rechtsanwalt die Erledigung des Widerspruchs, wird je nach Inhalt der Stellungnahmen der Kandidat entweder zur mündlichen Prüfung zugelassen bzw. ihm wird ein neues Zeugnis mit der neu berechneten Note ausgestellt oder die Widerspruchsakte wird schlicht ohne Erlass eines Bescheides geschlossen. Ansonsten erörtert das Prüfungsamt selbst die Begründetheit der in den Widerspruchsbegründungen vorgetragenen Einwendungen unter Hinzuziehung der Stellungnahmen der Votanten. Entweder folgt das Prüfungsamt der/den Widerspruchsbegründung/en und verfügt die Neubewertung der Klausur durch zwei neue Beurteiler oder das Prüfungsamt erläßt einen klagfähigen Widerspruchsbescheid. Dann bleibt nur noch die Klage vor dem Verwaltungsgericht als letzter Weg.
Die Klage vor dem Verwaltungsgericht, gerichtet auf Neubewertung der Klausur/en ist innerhalb der Frist des § 74 VwGO zu erheben. Beantragt wird, den Bescheid über das Nichtbestehen der Prüfung bzw. die Schlussentscheidung des Prüfungsausschusses ganz bzw. teilweise aufzuheben und das Prüfungsamt zu verpflichten, unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die konkret bezeichneten Klausuren neu zu bewerten.
Auch wenn der Kandidat selbst seinen Fall für auswegslos hält, sollte er in jedem Fall über die Anfechtung der Prüfungsergebnisse nachdenken. Zumindest sollte er seine Prüfungsunterlagen einsehen und schauen, ob grobe Beurteilungsfehler seitens der Prüfer ins Auge springen. Gerade in Fällen, wo der Kandidat ganz „knapp“ und/oder wiederholt durchgefallen ist, stehen die Chancen auf einen erfolgreichen Widerspruch gut!