1. Allgemeines zum Härtefallantrag
2. Wann ist ein Härtefall gegeben?
3. Erfolgsaussichten beim Härtefallantrag
4. Wann ist ein Härtefallantrag ausgeschlossen?
5. Regelungen der Bundesländer zum sog. Gnadenversuch
a) Baden-Württemberg, § 59 Abs. 2 JAPrO
b) Bayern, § 70 Abs. 2 JAPO
c) Berlin, § 32 Abs. 2 JAO
d) Brandenburg, § 32 Abs. 2 BbgJAO
e) Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein, § 23 Abs. 4 Länderübereinkunft
f) Hessen, § 52 Abs. 4 JAG
g) Mecklenburg-Vorpommern, § 16 JAG
h) Niedersachen, § 17 Abs. 2 NJAG
i) Nordrhein-Westfalen, § 39 Abs. 3 JAPO
j) Rheinland-Pfalz, § 7 Abs. 5 JAG
k) Saarland, § 34 Abs. 1 JAG
l) Sachsen, § 54 Abs. 2 JAPO
m)Sachsen-Anhalt, § 52 Abs. 6 JAPrVO
n) Thüringen, § 52 Abs. 2 JAPO
Ein Härtefallantrag ist dann zu stellen, wenn der Jurastudent bzw. der Rechtsreferendar wiederholt durch das Erste bzw. Zweite Juristische Staatsexamen gefallen ist. In einem solchen Fall kommt als letzte Möglichkeit nur noch ein Härtefallantrag – auch Gnadenversuch genannt – für den Betroffenen in Betracht, um eventuell doch noch die Erste bzw. Zweite Juristische Staatsprüfung erfolgreich ablegen zu können.
Sollten Sie daher zum wiederholten Mal durch das Staatsexamen gefallen sein, ist ein Widerspruch dringend geraten. Grundsätzlich können sowohl das Erste als auch Zweite Staatsexamen einmal wiederholt werden, sollte der Examenskandidat durchgefallen sein. Ein weiterer Versuch ist nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen möglich. Dem dritten Versuch geht der sogenannte „Härtefallantrag“ voraus. Diese Sonderregelung bietet Examenskandidat, die bereits zweimal durch das Staatsexamen gefallen sind, die Möglichkeit, die Prüfung ein drittes Mal abzulegen. Sollte der "Härtefallantrag" positiv beschieden worden sein, steht einem dritten Versuch nichts entgegen. Betroffene sollten jedoch beachten, dass es sich beim „Härtefallantrag“ um eine Einzelfallentscheidung handelt, die dem jeweiligen Prüfungsamt obliegt und nicht vorhersehbar ist.
Definiert wird ein Härtefall als eine Ausnahmesiuation, die eine ausreichende Vorbereitung auf die Prüfung nicht zulässt, wodurch der betroffene Examenskandidat seine tatsächliche Prüfungsleistung nicht angemessen erbringen kann. Diese Situation kann bereits vor Antritt der Prüfung vorliegen, aber auch während dieser auftreten. Sollte diese Ausnahmesituation – z.B. Krankheit, familiäre Probleme etc. - während der Prüfung auftreten, muss der Betroffene unverzüglich dem Prüfungsamt, dem Amtsarzt, der Klausurenaufsicht und/oder der Prüfungskommission darauf hinweisen. Wird die unverzügliche Anzeige verpasst, kann sich der Betroffene im Rahmen eines Härtefallantrags auch nicht auf die Ausnahmesituation berufen!
Da es sich bei der Entscheidung des Prüfungsamts über den Härtefallantrag um eine einzelfallabhängige Entscheidung handelt, hängen die Erfolgsaussichten von unterschiedlichen Faktoren ab. Zu unterscheiden gilt hierbei zwischen den eindeutigen und nicht eindeutigen Fällen. Ein eindeutiger Härtefall kann in der Regel bejaht werden, wenn der Examenskandidat während der Vorbereitungsphase mit dem Versterben und/oder der schweren Krankheit von Familienangehörigen, eigenen gesundheitlichen Problemen oder ähnlich gravierenden Situationen konfrontiert wurde.
Bei allen anderen Konstellationen handelt es sich um einen nicht eindeutigen Fall. Selbst wenn ein nicht eindeutiger Fall vorliegt, bedeutet das nicht, dass ein Härtefallantrag keine Aussicht auf Erfolg haben wird. Dies sollten Betroffene mit einem Rechtsanwalt ihres Vertrauens besprechen und die Sachlage gemeinsam erörtern.
Neben einer Ausnahmesituation ist für den Erfolg eines Härtefallantrags wichtig, dass der betroffene Examenskandidat einen dritten Versuch tatsächlich will und dies auch glaubhaft und überzeugend in seinem Antrag vermitteln kann.
Spätestens seit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Rheinland-Pfalz im Juni 2010 steht fest, dass Prüfungsangst kein Grund zur Wiederholung der Staatsprüfung im Rahmen der Härtefallregelung darstellt. Das OVG teilte mit, dass Prüfungsängste grundsätzlich kein Härtefall seien. Mithin können sich Betroffene bei einem Härtefallantrag nicht auf Prüfungsangst als Ausnahmesituation berufen!
Ein Gnadenversuch, d.h. ein dritter Examensversuch beim Zweiten Staatsexamen ist in allen Bundesländern vorgesehen. Zu beachten gilt jedoch, dass sich die inhaltlichen Anforderungen in den jeweiligen Bundesländern voneinander unterscheiden. Die unterschiedlichen Anforderungen für Ihr Bundesland erfahren Sie in der folgenden Liste:
a) Baden-Württemberg, § 59 Abs. 2 JAPrO
Auf Antrag kann eine zweite Wiederholung der Zweiten juristischen Staatsprüfung gestattet werden, wenn der Kandidat in der Wiederholungsprüfung eine Endpunktzahl oder im Falle des § 52 Satz 2 eine Durchschnittspunktzahl in der schriftlichen Prüfung von mindestens 3,75 erreicht hat und wenn infolge einer außergewöhnlichen Behinderung des Kandidaten in der Wiederholungsprüfung ein besonderer Härtefall vorliegt. Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung des Ergebnisses der Wiederholungsprüfung zu stellen. Die Gestattung der zweiten Wiederholung kann von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden.
b) Bayern, § 70 Abs. 2 JAPO
Prüfungsteilnehmer, die die Prüfung bei Wiederholung nach Abs. 1 nicht bestanden haben, können die Prüfung ein zweites Mal wiederholen, wenn sie in einem der beiden Prüfungsversuche einen Punktwert von mindestens 3,00 erzielt haben. Sie haben sich der zweiten Wiederholung der Prüfung spätestens im dritten Termin nach dem Termin zu unterziehen, in dem sie die Prüfung das zweite Mal nicht bestanden haben. Überschreiten sie diese Frist aus von ihnen zu vertretenden Gründen, gilt § 61 Abs. 1 Satz 2 entsprechend. Der Antrag auf Zulassung zur zweiten Wiederholung der Prüfung ist spätestens zwei Monate vor Beginn der Prüfung zu stellen; soweit zwischen der Zustellung der Mitteilung über das Ergebnis der ersten Wiederholungsprüfung und dem nächsten Termin nur ein kürzerer Zeitraum verbleibt, ist der Antrag unverzüglich nach Zustellung dieser Mitteilung zu stellen. Über die Zulassung zum schriftlichen Teil der Prüfung entscheidet das vorsitzende Mitglied des Prüfungsausschusses.
c) Berlin, § 32 Abs. 2 JAO
Ein Antrag auf eine zweite Wiederholung der zweiten juristischen Staatsprüfung ist innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Wiederholungsprüfung zu stellen. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg gemäß § 17 Abs. 5 Satz 2 des Berliner Juristenausbildungsgesetzes besteht nicht, wenn in der Wiederholungsprüfung ein niedrigerer Punktdurchschnitt als 3,0 erzielt worden ist. Die Genehmigung wird unwirksam, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller sich nicht binnen sechs Monaten zur erneuten Wiederholungsprüfung gemeldet hat.
d) Brandenburg, § 32 Abs. 2 BbgJAO
Ein Antrag auf eine zweite Wiederholung der zweiten juristischen Staatsprüfung ist innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Wiederholungsprüfung zu stellen. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg gemäß § 17 Abs. 5 Satz 2 des Brandenburgischen Juristenausbildungsgesetzes besteht nicht, wenn in der Wiederholungsprüfung ein niedrigerer Punktdurchschnitt als 3,0 erzielt worden ist. Die Genehmigung wird unwirksam, wenn der Antragsteller sich nicht binnen sechs Monaten zur erneuten Wiederholungsprüfung gemeldet hat.
e) Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein, § 23 Abs. 4 der Länderübereinkunft
Der Präsident des Gemeinsamen Prüfungsamtes kann auf Antrag eine zweite Wiederholung der Prüfung gestatten. Der Antrag ist über den Oberlandesgerichtspräsidenten einzureichen, in dessen Bezirk der Referendar zuletzt ausgebildet worden ist. Bei Gestattung der zweiten Wiederholung der Prüfung bestimmt der Präsident des Gemeinsamen Prüfungsamtes etwaige weitere Auflagen; ein Ergänzungsvorbereitungsdienst kann nicht angeordnet werden.
f) Hessen, § 52 Abs. 4 JAG
Nach zweimaligem Misserfolg kann die Präsidentin oder der Präsident des Justizprüfungsamts ausnahmsweise die nochmalige Wiederholung der Prüfung gestatten, wenn die erfolglosen Prüfungsversuche in Hessen stattgefunden haben und besondere Gründe vorliegen, die eine außergewöhnliche Behinderung der Bewerberin oder des Bewerbers in dem zweiten Prüfungsverfahren dartun und eine nochmalige Wiederholung hinreichend aussichtsreich erscheinen lassen. Ein Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber nach Bekanntgabe der Bewertungen der Aufsichtsarbeiten zur mündlichen Prüfung nicht erschienen ist.
g) Mecklenburg-Vorpommern, § 16 JAG
Ist die Prüfung nicht bestanden, so kann sie einmal wiederholt werden. Im Ausnahmefall kann die Zweite juristische Staatsprüfung nochmals wiederholt werden.
h) Niedersachsen, § 17 Abs. 2I NJAG
Eine nochmalige Wiederholung der zweiten Staatsprüfung kann das Justizministerium gestatten, wenn die erfolglosen Prüfungen bei dem niedersächsischen Landesjustizprüfungsamt abgelegt worden sind und eine außergewöhnliche Beeinträchtigung der Referendarin oder des Referendars in dem zweiten Prüfungsverfahren vorgelegen hat. Diese ist unverzüglich geltend zu machen. Die nochmalige Wiederholung findet außerhalb des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses statt.
i) Nordrhein Westfalen, § 39 Abs. 3 JAPO
Der Antrag auf Gestattung einer nochmaligen Wiederholung der nicht bestandenen Prüfung ist innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung über das Nichtbestehen der ersten Wiederholungsprüfung bei der Präsidentin oder dem Präsidenten des Oberlandesgerichts zu stellen, die oder der den Prüfling zur ersten Wiederholungsprüfung vorgestellt hat. Die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgericht legt den Antrag mit einer Äußerung über die Erfolgsaussichten der nochmaligen Wiederholung dem Landesjustizprüfungamt vor. Anträgen von Schwerbehinderten im Sinne der §§ 1 und 2 des Schwerbehindertengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl. I S. 1421) soll tunlichst entsprochen werden.
j) Rheinland-Pfalz, § 7 Abs. 5 JAG
Wer die zweite juristische Staatsprüfung in Rheinland-Pfalz nicht bestanden hat, kann sie einmal wiederholen. Bei Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung kann die Präsidentin oder der Präsident des Prüfungsamtes auf Antrag eine zweite Wiederholungsprüfung zulassen, wenn ein besonderer Härtefall vorliegt, bei der ersten Wiederholung eine Gesamtnote von mindestens 3,50 Punkten erreicht wurde und anzunehmen ist, dass die Prüfung bei erneuter Wiederholung bestanden wird. Der Antrag ist spätestens drei Monate nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der ersten Wiederholungsprüfung zu stellen.
k) Saarland, § 34 Abs. 1 JAG
Wer die Prüfung bei dem in § 2 bezeichneten Landesprüfungsamt für Juristen bei der Wiederholung nicht bestanden hat, darf sie auf Antrag in besonderen Ausnahmefällen ein zweites Mal wiederholen, wenn seine bisherigen Leistungen erwarten lassen, dass er die Prüfung nach weiterer Vorbereitung bestehen wird.
l) Sachsen, § 54 Abs. 2 JAPO
Einem Prüfungsteilnehmer, der die Prüfung bei Wiederholung nach Absatz 1 nicht bestanden hat, kann zu einem vom Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes zu bestimmenden Termin gestattet werden, die Prüfung ein zweites Mal zu wiederholen, wenn die erfolglosen Prüfungen beim Landesjustizprüfungsamt abgelegt worden sind und bei dem Prüfungsteilnehmer eine außergewöhnliche Belastung in dem zweiten Prüfungsverfahren vorgelegen hat. Die außergewöhnliche Belastung ist unverzüglich nach dem Teil des Prüfungsverfahrens, in welchem sie vorlag, geltend zu machen.
m) Sachsen-Anhalt, § 52 Abs. 6 JAPrVO
Bei zweimaligem Misserfolg kann der Minister der Justiz ausnahmsweise die nochmalige Wiederholung der Prüfung gestatten, wenn die erfolglosen Prüfungen vor dem Landesjustizprüfungsamt des Landes Sachsen-Anhalt abgelegt worden sind, eine außergewöhnliche Behinderung in dem zweiten Prüfungsverfahren vorlag und eine nochmalige Wiederholung hinreichend aussichtsreich erscheint.
n) Thüringen, § 52 Abs. 2 JAPO
Nach zweimaligem Misserfolg kann der Präsident des Justizprüfungsamts ausnahmsweise die nochmalige Wiederholung der zweiten Staatsprüfung gestatten, wenn die erfolglosen Prüfungsdurchgänge in Thüringen stattgefunden haben, der Rechtsreferendar in einem dieser Prüfungsdurchgänge mindestens 3,3 Punkte im schriftlichen Teil erreicht hat, ein besonderer Härtefall nachgewiesen wird und eine nochmalige Wiederholung hinreichend aussichtsreich erscheint. Ein Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn ein Rechtsreferendar nach Bekanntgabe der Bewertungen der schriftlichen Arbeiten zur mündlichen Prüfung nicht erschienen ist.